Das Buch ist schon 2013 erschienen, wurde von mir aber erst jetzt entdeckt und soll an dieser Stelle gewürdigt werden – schon allein deshalb, weil ich das aktuelle Buch des Autors so abgekanzelt habe (siehe den Eintrag Corona). Nun wird es den Feuilletonchef der „Neuen Zürcher Zeitung“ kaum kratzen, wenn ein mehr oder weniger unbekannter Blogschreiber in Berlin sein Corona-Büchlein für zu leicht dahin erzählt befunden hat und es wird den kommerziellen Erfolg auch nicht beeinflussen, aber mir ist es doch ein Anliegen in diesem Blog klar zu stellen, dass es sich bei dieser gut recherchierten und flott geschriebenen Werk-Biografie um ein ganz anderes Kaliber handelt.
Meyers Buch ist für mich ein Standardwerk über den Jahrhundert-Schriftsteller Camus. Der Autor spürt – wissenschaftlich fundiert, aber nichtsdestotrotz in leicht lesbarer Prosa – den literarischen und philosophischen Ambitionen des Autors nach, angefangen vom nicht veröffentlichten Glücklichen Tod – sozusagen der Vorstudie zu seinem Erstlingserfolg Der Fremde – über die philosophische Abhandlung Der Mythos des Sisyphos bis zum Roman Die Pest. Auch die Arbeit am „Theatre du Travail“ in Algier und die journalistischen Veröffentlichungen werden analysiert und im politischen und philosophischen Umfeld verortet. Meyer schildert Camus als einen Aufsteiger aus kleinen Verhältnissen, der sein Leben lang dem Ideal der Freiheit verpflichtet war, und der sich schon früh von der kommunistischen Ideologie und damit auch vom zeitgenössischen intellektuellen Umfeld der Existenzialisten um Jean-Paul Sartre lossagt.
Der Mensch in der Revolte führt zum endgültigen Zerwürfnis mit dem einstigen Freund Sartre, der ihn in die Pariser Kreise aufgenommen und als großartigen Schriftsteller nobilitiert hatte. Meyer schildert Sartre als unsympathischen Zeitgenossen aus großbürgerlicher Familie, der als Großmeister der Gilde von Saint-Germain-des-Prés eisern darüber wacht, dass seine politischen Vorgaben eingehalten werden. Abweichler werden sofort an den Pranger stellen – so wird auch Camus mit einer Kritik vernichtet, die ihm unterstellt, dass er als ein Mann aus einfachen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Hegelsche und Marxsche Geschichtsphilosophie zu verstehen.
Dass Camus sein Leben lang immer wieder unter schweren Krankheiten zu leiden hatte und – wie James Dean – bei einem Autounfall ums Leben kam, macht ihn natürlich zum tragischen Helden, der sein eigenes philosophisches Motto von der Absurdität der menschlichen Existenz sozusagen in nuce selbst vorlebt. Das ikonische Schwarzweißfoto auf dem Titel des Buches spricht Bände. Während sein Gegenspieler Sartre nach dem Aufstand in Ungarn und der Abkehr von der Sowjetunion den algerischen Aufstand befeuert, möchte Camus den Ausgleich zwischen den Franzosen und den Arabern in seiner Heimat vorantreiben, findet mit diesem Ansinnen aber bei Präsident de Gaulle kein Gehör.
Und auch wenn es den Anschein hat, dass sich der Schweizer Meyer mit dem „dahergelaufenen“ jungen Helden aus der Provinz, der sich das linke poliitsche Establishment zurecht legt und in seine Schranken verweist, ein wenig zu auffällig identifiziert, muss anerkannt werden, dass diese Biografie einem das Werk und den Menschen Camus auf anschauliche und unterhaltsame Weise nahe bringt. Gleichwohl stellt sich bei der Lektüre manchmal die Frage, was der Autor geflissentlich verschweigt, weil es nicht in das Bild des idealisierten Charakterdarstellers passt – etwa die zahlreichen Liebschaften des Womanizers, der vor allem als fürsorglicher Ehemann porträtiert wird.
Aber wie dem auch sei – ein wichtiger Beitrag zum Verständnis des Werks von Albert Camus ist das Buch auf jeden Fall, also: unbedingt lesen!
Martin Meyer, Albert Camus. Die Freiheit leben. Hanser, ISBN: 9783446243538
Das Buch ist schon 2013 erschienen, wurde von mir aber erst jetzt entdeckt und soll an dieser Stelle gewürdigt werden – schon allein deshalb, weil ich das aktuelle Buch des Autors so abgekanzelt habe (siehe den Eintrag Corona). Nun wird es den Feuilletonchef der „Neuen Zürcher Zeitung“ kaum kratzen, wenn ein mehr oder weniger unbekannter Blogschreiber in Berlin sein Corona-Büchlein für zu leicht dahin erzählt befunden hat und es wird den kommerziellen Erfolg auch nicht beeinflussen, aber mir ist es doch ein Anliegen in diesem Blog klar zu stellen, dass es sich bei dieser gut recherchierten und flott geschriebenen Werk-Biografie um ein ganz anderes Kaliber handelt.
Meyers Buch ist für mich ein Standardwerk über den Jahrhundert-Schriftsteller Camus. Der Autor spürt – wissenschaftlich fundiert, aber nichtsdestotrotz in leicht lesbarer Prosa – den literarischen und philosophischen Ambitionen des Autors nach, angefangen vom nicht veröffentlichten Glücklichen Tod – sozusagen der Vorstudie zu seinem Erstlingserfolg Der Fremde – über die philosophische Abhandlung Der Mythos des Sisyphos bis zum Roman Die Pest. Auch die Arbeit am „Theatre du Travail“ in Algier und die journalistischen Veröffentlichungen werden analysiert und im politischen und philosophischen Umfeld verortet. Meyer schildert Camus als einen Aufsteiger aus kleinen Verhältnissen, der sein Leben lang dem Ideal der Freiheit verpflichtet war, und der sich schon früh von der kommunistischen Ideologie und damit auch vom zeitgenössischen intellektuellen Umfeld der Existenzialisten um Jean-Paul Sartre lossagt.
Der Mensch in der Revolte führt zum endgültigen Zerwürfnis mit dem einstigen Freund Sartre, der ihn in die Pariser Kreise aufgenommen und als großartigen Schriftsteller nobilitiert hatte. Meyer schildert Sartre als unsympathischen Zeitgenossen aus großbürgerlicher Familie, der als Großmeister der Gilde von Saint-Germain-des-Prés eisern darüber wacht, dass seine politischen Vorgaben eingehalten werden. Abweichler werden sofort an den Pranger stellen – so wird auch Camus mit einer Kritik vernichtet, die ihm unterstellt, dass er als ein Mann aus einfachen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Hegelsche und Marxsche Geschichtsphilosophie zu verstehen.
Dass Camus sein Leben lang immer wieder unter schweren Krankheiten zu leiden hatte und – wie James Dean – bei einem Autounfall ums Leben kam, macht ihn natürlich zum tragischen Helden, der sein eigenes philosophisches Motto von der Absurdität der menschlichen Existenz sozusagen in nuce selbst vorlebt. Das ikonische Schwarzweißfoto auf dem Titel des Buches spricht Bände. Während sein Gegenspieler Sartre nach dem Aufstand in Ungarn und der Abkehr von der Sowjetunion den algerischen Aufstand befeuert, möchte Camus den Ausgleich zwischen den Franzosen und den Arabern in seiner Heimat vorantreiben, findet mit diesem Ansinnen aber bei Präsident de Gaulle kein Gehör.
Und auch wenn es den Anschein hat, dass sich der Schweizer Meyer mit dem „dahergelaufenen“ jungen Helden aus der Provinz, der sich das linke poliitsche Establishment zurecht legt und in seine Schranken verweist, ein wenig zu auffällig identifiziert, muss anerkannt werden, dass diese Biografie einem das Werk und den Menschen Camus auf anschauliche und unterhaltsame Weise nahe bringt. Gleichwohl stellt sich bei der Lektüre manchmal die Frage, was der Autor geflissentlich verschweigt, weil es nicht in das Bild des idealisierten Charakterdarstellers passt – etwa die zahlreichen Liebschaften des Womanizers, der vor allem als fürsorglicher Ehemann porträtiert wird.
Aber wie dem auch sei – ein wichtiger Beitrag zum Verständnis des Werks von Albert Camus ist das Buch auf jeden Fall, also: unbedingt lesen!
Martin Meyer, Albert Camus. Die Freiheit leben. Hanser, ISBN: 9783446243538