Lendl vs. Berlin

Die Tränen der Berlinale

Was für ein Segen, dass sie wieder vorbei ist, die Berlinale. Ich muss ja leider zugeben, dass es nicht schaffe, mich von dem ganzen Trubel fern zu halten. Als Freund der Kinemathek, der die Filme des Forums zum ermäßigten Eintritt besuchen kann, schaue ich dann doch täglich nach, was ich mir ansehen könnte und ob es noch Karten dafür gibt – ganz abgesehen vom rbb-Nachtprogramm, in dem ich dann auf die Fototapete starre, vor der sich mir unbekannte DarstellerInnen und RegisseurInnen tummeln.

Zum Glück war ich in diesem (Jubiläums-)Jahr die meiste Zeit über krank und habe es in Zeiten des Corona-Wahnsinns vermieden, mit laufender Nase aus dem Haus zu gehen. Aber am Sonntag war ich wieder fit, also dachte ich, gehe ich ins Haus der Berliner Festspiele – in Erinnerung an alte Zeiten, als ich noch für das Musikfest oder das Jazzfest Programme, Katalog und Plakate gestaltet habe, wiewohl der Ärger darüber, aufgrund persönlicher Intrigen abserviert worden zu sein, noch nicht gänzlich verflogen ist. Sollte jemand behaupten, dass ihm die Grafik der Festivals, für die die Festspiele verantwortlich sind, jetzt besser gefällt, hülle ich mich sofort in Schweigen. Aber die Plakate der diesjährigen Berlinale zeugen von einer so bemerkenswerten Belanglosigkeit, dass man darüber wohl kein Wort verlieren muss.

Philippe Garrels „Le sel des larmes“ („Das Salz der Tränen“) war dann der erwartbare Film eines älteren französischen Regisseurs, der einen jungen Mann auf der Suche nach der Liebe zeigt – leicht dahin erzählt mit ein paar murmelnden philosophischen Bemerkungen des belesenen Vaters, der als Tischler ein ehrliches, aussterbendes Handwerk ausübt, das der Sohn weiterführen und durch seine Ausbildung zum Kunsttischler auf eine höhere Ebene heben soll. Das wird unaufgeregt in schönen Schwarzweißbildern erzählt, erinnert ein wenig an Rohmer und Truffaut, aber ist doch viel zu nostalgisch und zu blasiert vorgetragen, um dem Filmerbe etwas Eigenständiges hinzuzufügen.

Ich hatte einen Film von Garrel im Kopf, der mir sehr gut gefallen hatte, aber leider muss ich denjenigen Kritikern beipflichten, die Garrel als einen der alten, weißen Männer im Regiebereich einstuften, deren Zeit wohl vorbei sei. Dem ist nichts hinzuzufügen. Schade nur, dass bisher so wenige Menschen bemerkt haben, dass im Arsenal in der Woche nach der Berlinale die besten Forum-Filme wiederholt werden, heute Abend etwa „Ouverture“, ein fantastisches Œuvre der Theatergruppe The Living and The Dead Ensemble aus Haiti, Frankreich und Großbritannien, die anhand eines Theaterstücks über den Revolutionär Toussaint Louverture die weithin unbekannte und verschüttete Geschichte der Karibikinsel sowie die eigene Rolle als schwarze Intellektuelle in drei bildmächtigen Akten zur Sprache bringt.