Rezensionen

Grant & I

Nachdem ich mich schon als Fan der Go-Betweens und im besonderen von Robert Forster geoutet habe, erscheint es mir angebracht, ein paar Worte über das Buch zu verlieren, das derselbe über die gemeinsamen Jahre mit seinem Alter Ego Grant McLennan geschrieben hat, der leider schon 2006 im Alter von 48 Jahren starb:

Für uns wahre Fans waren die Go-Betweens von jeher die beste Indie-Band der Welt, nur wegen ihres Namens habe ich mir einst den Film von Joseph Losey (mit Julie Christie, Drehbuch: Harold Pinter) angesehen, von dem mir nur wenig von der eher verklemmten Geschichte, die auf einem englischen Landsitz spielt, in Erinnerung geblieben ist, obwohl  er 1971 in Cannes die Goldene Palme gewonnen hat (hauptsächlich wohl wegen der großartigen Ausstattungstableaus). Und vor nicht allzu langer Zeit habe ich sogar den Roman von L. P. Hartley gelesen, der – wie Colm Tóibín im Vorwort schreibt – in The Go-Between die perfekte Form fand, „um sein hochkomplexes Verhältnis zu Klassenfragen, Sexualität und Erinnerung zu ergründen“. Der Roman erschien 1953, lässt aber das Viktorianische Zeitalter wieder aufleben, in dem sich die Weltsicht des Autors gründet. Ich war also sehr gespannt auf das Buch von Robert Forster, u.a. um zu erfahren, warum sie sich nach dem Buch (oder nach dem Film?) benannt haben.

Doch diese Frage wird nicht beantwortet, wie so vieles, worauf ich neugierig war. Trotzdem habe ich das Buch mit großer Begeisterung gelesen. Logisch, als Fan, werden Sie jetzt sagen. Aber das ist nicht der Grund, denn die meisten Band-Biografien sind furchtbar langweilig. Ich bin ja nicht mehr 18 und die meisten sogenannten Fakten vergesse ich sowieso nach kürzester Zeit wieder. Darum lese ich Bücher nur wegen des Lesevergnügens und das ist bei Grant & I absolut gegeben. Forster hat eher einen (Entwicklungs-)Roman als ein Sachbuch geschrieben, angefangen von seiner Kindheit in einem Vorort von Brisbane, den ersten (Solo-)Versuchen mit der Gitarre bis zu den ersten Auftritten in dieser Kleinstadt mit seinem Soulmate McLennan. Wie trostlos diese Städte im Niemandsland des australischen Archipels waren, hat David McComb von den Triffids einmal sehr drastisch auf den Punkt gebracht: „Es gab nur zwei Möglichkeiten: entweder du wurdest zum Surfer oder zum Junkie.“

Erwachsenwerden, Überdruss, Zweifel, Erwachen und Wachsen des sexuellen Verlangens, Pläne fürs Leben oder für die nächste Nacht und vor allem viele Gespräche werden geschildert, in weiterer Folge auch die großen Erwartungen, die kleinen Erfolge und die größeren Misserfolge, ja das Scheitern des großen Plans, in England die Nachfolge der Beatles als berühmteste Band der Welt anzutreten; und wie sie letztlich doch zumindest zu einer Kultband wurden.

Während andere Gruppen, deren Weg die Go-Betweens kreuzten – wie etwa R.E.M. oder Orange Juice (wer kennt die heute noch?) – zumindest einige Hits hatten, wenn nicht sogar weltberühmt wurden und ihren Frontmann in den Starhimmel katapultierten, blieben Forster und McLennan immer nur die Lieblinge der Musikjournalisten. Sie sind ja sogar wieder als Go-Betweens aufgetreten, weil sie von der französischen Zeitschrift les inrockuptibles zur besten Band der Welt gewählt wurden.

Unbescheiden, wie Forster nun mal ist, räsoniert er immer wieder darüber, warum andere Bands erfolgreich sind und die Go-Betweens nicht in dem Maße, wie sie es verdienen würden, weil sie doch die allerbesten Songs schreiben – inspiriert von Filmen und Büchern. Schon ihre erste Single war eine Hommage an die Schauspielerin Lee Remick („She played in The Omen with Gregory Peck …“) Es kann doch nicht daran liegen, dass sie keinen Lead-Sänger haben, schließlich waren die Beatles auch mit den beiden Frontmännern Lennon und McCartney erfolgreich … und warum gehen ständig die Plattenfirmen pleite, mit denen sie zu tun haben? Weshalb lassen sie sich darauf ein, mit einem Drumcomputer aufzunehmen, obwohl die grandiose Drummerin Lindy Morrison Forsters erste Freundin war – sind sie geblendet vom Aufnahmestudio im Landhaus des berühmten und reichen Jacques Loussier?

Manchmal hat man beim Lesen den Eindruck, dass sie so sehr von sich überzeugt waren, dass sie meinten, sie könnten den Teil der Karriere, in dem man sich anstrengen, anpassen und gut verhandeln muss, einfach überspringen, weil sie gleich alles selbst bestimmen wollten und die Geschäfte nicht einem Manager überließen – so wie die Beatles Brian Epstein hatten oder die Stones dessen Schüler Andrew Oldham.

Aber vielleicht waren sie auch einfach zu lässig, um als Musiker erfolgreich zu sein – es war ja nur eine Option, eigentlich waren ihre Vorbilder Godard und Truffaut. Und es war anfangs so einfach, sie schrieben ein paar Songs und spielten gleich vor hunderten Fans. Und eine Popgruppe war „das Romantischste, was zwei heterosexuelle Männer zusammen erschaffen können“. Wir als Fans freuen uns, dass sie sich getroffen und so viele unvergängliche Songs geschrieben haben, während wir uns fragen, was sie heute wohl tun würden, wenn sie im Alter von 18 Jahren aufeinander treffen würden …