Rezensionen

Erfreuliches aus der Türkei

Jetzt hat sogar Frau M. die Faxen dicke, aber nein, kein Wort zu Herrn E. – vielmehr möchte ich hier Elif Shafak loben, deren Roman „Der Geruch des Paradieses“ hinter die Fassade der politischen Auseinandersetzungen blickt und die Widersprüche der türkischen Gesellschaft am Beispiel einer Familie beleuchtet.

Die Tochter – deren Besuch einer großbürgerlichen Abendgesellschaft in Istanbul den Rahmen des Romans bildet – hat sich mit der traditionellen Frauenrolle abgefunden, obwohl sie in Oxford studiert hat und ihrem Mann intellektuell überlegen ist. In kunstvoll und spannend komponierten Rückblenden wird Peris Lebensgeschichte erzählt, ihre Kindheit und Jugend in der ständigen Zerrissenheit zwischen der religiösen Mutter und dem fortschrittlichen, aber abgestumpften Vater – und en passent das Auseinanderdriften der politischen, kulturellen und religiösen Milieus geschildert.

Der älteste Bruder wurde in den 80er Jahren als linker Aktivist verhaftet und gefoltert, der andere Bruder wird zum Nationalisten, die Mutter immer religiöser und der Vater flüchtet sich in den Alkohol. Peri begibt sich auf der Suche nach Gott in ein philosophisches Seminar, sie lernt zwei andere Frauen kennen – jede für sich ein Beispiel für den Umgang mit den eigenen Wurzeln. Während die eine sich ganz von ihrer Herkunft verabschiedet hat und sich über alle religiösen Gesetze und Moralvorstellungen hinwegsetzt, versucht die andere Feminismus und Kopftuch zu vereinbaren.

Elif Shafak hat einen Roman geschrieben, der aufregend konstruiert und spannend zu lesen ist – und er bietet Einblicke in eine Welt, die uns das Stakkato der Nachrichtenbeiträge nicht näher bringt. „Wenn ich dich anschaue“, muss sich Peri von ihrem ersten Freund am Ende der Schulzeit in Istanbul sagen lassen, „sehe ich schon die typisch orientalische Intellektuelle, die du später mal sein wirst – verliebt in Europa, im Konflikt mit den eigenen Wurzeln.“

So, wie sich die Repräsentanten der türkischen Politik im Moment verhalten, ist es sehr schwer, nicht mit ihnen in Konflikt geraten.