Lendl vs. Berlin

Die sogenannte „Grüne Welle“

Dieser Blog könnte auch „Auf der Suche nach der verlorenen Etikette“ heißen oder „Ham wer nich“, wahlweise würde sich „Geh zurück nach Bayern“ oder „Hau ab in dein Dorf“ anbieten – alles schon gehört und nicht nur ein Mal. Und zwar beim Versuch, das Mindestmaß an Rücksichtnahme einzufordern, das dem gewöhnlichen Fußgänger oder Radfahrer für ein verletzungsvermeidendes Zusammenleben als notwendig erscheint.

Nicht einmal die Tatsache, dass es sich bei den meist älteren, aber gut betuchten Tagesbesuchern aus diversen Stadtteilen um Konsumenten handelt, die sich in Richtung Charlottenburg aufmachen, um die regionale Wirtschaft zu fördern, hat Einfluss auf die Verkehrsführung in der meiner Wohnung benachbarten Kantstraße.

Wenn der Kunde der viel beschworene König wäre, dann würden die Fußgängerampeln möglichst schnell von Rot auf Grün schalten, um die zu allem entschlossenen Einkäufer nicht an der Überquerung der mitten durch die Einkaufstour verlaufenden Durchgangsstraße zu hindern.

Doch wer als Fußgänger oder Radfahrer am Savignyplatz steht und die Kantstraße überqueren möchte, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ganz bestimmt nicht er, sondern vielmehr der Autofahrer das bevorzugte Objekt der städtischen Verkehrsführung ist.

Weil ich – so wie viele der Anwohner/innen des Savignyplatzes – für die Eindämmung des Individualverkehrs eintrete, habe ich eine Anfrage an die Senatsverwaltung geschickt und folgende Antwort bekommen:

Sehr geehrter Herr Lendl,

ich danke für Ihre E-Mail vom 27. April 2016 zu der Lichtsignalanlage Kantstraße / Savignyplatz (Ost), in der Sie lange Wartezeiten zum Überqueren der Kantstraße beklagen, und bitte für die späte Beantwortung um Entschuldigung.

Grundsätzlich werden auch in Berlin die Lichtsignalanlagen auf durchgehenden Straßenzügen koordiniert geschaltet mit dem Ziel, den Verkehr so gut wie möglich fließen zu lassen. Aus mathematischen Gründen (Zeit-Weg-Diagramm) ist es aber nur in Ausnahmefällen, bei ganz bestimmten gleichen Abständen der Kreuzungen untereinander, möglich, eine sogenannte „Grüne Welle“ in beiden Fahrtrichtungen zu schalten. Die erforderlichen Randbedingungen sind auf Grund der organisch gewachsenen Stadtstruktur leider nicht immer erfüllt. Eine besonders gute Koordinierung in der einen Fahrtrichtung würde in der Regel eine sehr schlechte Koordinierung für die Gegenrichtung zur Folge haben. Unterbrechungen der „Grünen Welle“ sind deshalb kein böser Wille oder Unvermögen der Planer, sondern jeweils unvermeidliches „kleinstes Übel“ aus den theoretisch möglichen Entwurfsvarianten. Außerdem werden Lichtsignalanlagen zunehmend durch die Fahrzeuge des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) beeinflusst, so dass kurzzeitige Beeinträchtigungen der anderen Verkehrsteilnehmer möglich sind. Halte vor Lichtsignalanlagen sind aus den genannten Gründen deshalb nicht immer zu vermeiden.

Gerade die Kantstraße war bezüglich der Koordinierung schon immer ein Problemfall. Um die Koordinierungen so weit wie möglich zu verbessern und die Zahl der Halte vor Lichtsignalanlagen zu reduzieren wurde die sogenannte Umlaufzeit der Lichtsignalanlagen schon vor Jahren auf 80 sec erhöht. An jeder Lichtsignalanlage des Straßenzuges wiederholt sich der Signalablauf nach 80 sec, selbstverständlich zeitlich versetzt, wie es die Koordinierung erfordert. Die gleiche Umlaufzeit an allen Anlagen ist Grundvoraussetzung einer Koordinierung.

Der Nachteil dieser relativ langen Umlaufzeit sind entsprechend lange Wartezeiten für Fahrzeuge aus den Querstraßen und für Fußgänger zum Überqueren der Kantstraße. Andererseits wird damit die Querung für Fußgänger in einem Zug ohne Wartezeit auf dem Mittelstreifen ermöglicht und die Leistungsfähigkeit für den Verkehr der Kantstraße wird erhöht. Sie selbst schreiben ja, dass die Autos in endloser Reihe vorbeirauschen, das heißt, die langen Grünzeiten sind zumindest in den Spitzenverkehrszeiten doch wohl erforderlich, um den Verkehr bewältigen zu können. Rotfahrten, wie von Ihnen geschildert, sind nicht darauf zurückzuführen sondern vielmehr eine Frage der Verkehrsdisziplin und der Beachtung von Verkehrsvorschriften generell.

Für die Nachtzeit lässt sich mit besonders kurzen Umlaufzeiten eine günstige Koordinierung aufbauen, weil dann bei geringem Verkehrsaufkommen die Leistungsfähigkeit keine Rolle spielt. Ergänzend erwähne ich, dass am Sonnabend besondere „Einkaufspläne“ geschaltet werden, bei denen die Wartezeiten für die Fußgänger zu Lasten des Fahrverkehrs der Kantstraße verkürzt sind.

Nach Abwägung der Interessen aller Verkehrsteilnehmer sehe ich mich außerstande, Änderungen in Ihrem Sinne zu befürworten. Dafür bitte ich um Ihr Verständnis.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

Christian Ruppel

Verkehrslenkung Berlin

VLB B21

Tel: 030 / 9025 94 674

Mail: christian.ruppel@senstadtum.berlin.de