Rot-ichweiß-Rot

Basti weiß, wie man’s macht

Immer wieder lesenswert: der Blog von Armin Wolf, in dem er regelmäßig seine Vorträge sowie vor allem Artikel zu den Reaktionen auf seine Moderationen postet. Das Motto seiner Seite stammt von Philipp K. Dick und wird von ihm immer wieder gerne zitiert: „Reality is that which, when you stop believing in it, doesn’t go away.“ Besser könnte man den Unterschied zwischen dem Journalismus, den Wolf hochhält und verteidigt (und der versucht, die Realität abzubilden und zu kommentieren), und den täglich geposteten Beiträgen der Twitter- und Facebook-Gemeinde, die vor allem den Zweck verfolgen, den Level der Aufregung hoch zu halten und zu steigern, nicht definieren.

In Deutschland stehen richtungsentscheidende Wahlen an, am Sonntagabend werden wir mehr wissen – vielleicht werden wir staunen, uns freuen oder enttäuscht sein, aber es gab wohl schon seit langem keine Wahl mehr, die ähnlich spannend war und deren Ergebnis so wenig vorhersagbar. Wie konnte das nur passieren? Vieles spricht dafür, dass die Strategen in der Parteizentrale der Union sich verkalkuliert haben – und dazu kommt noch, dass der Kandidat sich nichts sagen lassen will. So kann man natürlich keine Wahlen gewinnen. Da hätte sich der Armin (Laschet) doch mal vom Basti beraten lassen sollen, der hätte ihm sagen können, wie man das macht: 1. die Partei hinter sich bringen, 2. keinerlei Missgeschicke zulassen, 3. strahlender Sieger werden. Aber der will sich ja nichts sagen lassen, der (deutsche) Armin …

Wie es richtig gemacht wird, zeigt der Blick nach Österreich (und hier zitiere ich Armin Wolf, aus dessen Blog die folgenden Zahlen stammen): Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz hat auf seiner Facebook-Seite aktuell 951.000 Fans (in einem Land von nicht mal neun Millionen Einwohnern). Auf Twitter hat er 484.000 Follower. Seine Partei, die ÖVP, hat in den letzten Jahren mehrere hunderttausend Mail-Adressen und Mobilnummern gesammelt, um ihre Anhänger regelmäßig direkt zu kontaktieren, und seit wenigen Wochen gibt es Sebastian Kurz auch auf Tiktok. Und außerdem legt Herr Kurz auch sehr viel Wert darauf, wie er in den traditionellen Medien vorkommt. Er ist sich nicht zu schade, selbst eine Chefredakteurin anzurufen, wenn er der Meinung ist, dass eine Äußerung von ihm nicht korrekt wiedergegeben wurde oder eine von ihm verkündete Maßnahme nicht entsprechend gewürdigt wurde.

Und um zu garantieren, dass der Kanzler seine Interpretation der Ereignisse den Menschen im Land punktgenau vermitteln kann (Stichwort: Message-Control), sind im Bundeskanzleramt rund 60 Menschen in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt, weit mehr als in jeder österreichischen Politik-Redaktion. Neben seinen Pressesprecher·innen in Kanzleramt und Parteizentrale hat Kurz noch einen amtlichen „Kanzlerbeauftragten für Medien“ etabliert (der heißt wirklich so), nicht zufällig sein früherer PR-Chef. Die österreichische Bundesregierung hat im ersten Halbjahr 2021 rund 25 Millionen Euro für Werbung ausgegeben, öffentliche Stellen insgesamt etwa 100 Millionen. Das macht bei manchen Verlagen mittlerweile einen erheblichen Teil ihrer Werbeeinnahmen aus – ganz abgesehen von der Presseförderung, die nicht an die Qualität, sondern an die Auflagenhöhe gekoppelt ist und ein weiterer Baustein der finanziellen Abhängigkeit von der Regierung ist. Und der Kanzlerbeauftragte für Medien hat sich auch sehr bemüht, bei der Neubesetzung der ORF-Generaldirektion vor wenigen Wochen den Wunschkandidaten der ÖVP durchzubringen.

So macht man das, Armin! Aber der lässt sich ja von keinem was sagen – vom Markus nicht und von seinen Berater·innen nicht und schon gar nicht vom Basti. Selber schuld, denkt sich der und regiert ohne Rücksicht auf Verluste, Koalitionspartner oder Nachbarstaaten – ein echter Kanzler der Herzchen und Facebook-Likes.